Das PFC-Problem der Bundeswehr
Die Bundeswehr hat durch den Einsatz von gesundheitsschädlichem Löschschaum zahlreiche Standorte verunreinigt. Laut BR ist die Kontamination mit PFC-Chemikalien an 18 Standorten bestätigt. Die Sanierung könnte teuer werden.
Von Jeanne Turczynski, Maximilian Zierer, Maren Breitling, Fabian Mader, BR
Die Gemeinde Manching in Oberbayern liegt neben dem Bundeswehr-Flugplatz Ingolstadt-Manching. Auf dem Gelände ist der Schwellenwert für einen besonders schädlichen PFC-Stoff im Grundwasser teils 400-fach überschritten. In angrenzenden Ortsteilen dürfen Anwohner ihre Gärten nicht mehr mit Brunnenwasser gießen. Wer ein Haus bauen will, kann das nur ohne Keller machen. Oder er muss die Entsorgung des Aushubs bezahlen. Und das wird teuer, denn es handelt sich um Sondermüll.
Schleichendes Gift
Die Kontaminationen im Boden stammen von PFC-haltigen Löschschäumen, die die Bundeswehrfeuerwehr jahrzehntelang am nahegelegenen Flugplatz eingesetzt hat, vor allem bei Übungen. Der bekannteste Stoff, der in den Schäumen verwendet wurde, heißt PFOS. Er ist seit 2006 in der EU verboten, PFOS-haltige Löschschäume durften noch bis 2011 verwendet werden.
Dem Bayerischen Rundfunk liegen Gutachten und Messwerte von zahlreichen Bundeswehr-Standorten in ganz Deutschland vor. Die Recherchen zeigen, dass das Problem mit PFC-Verunreinigungen deutlich größer ist, als bislang bekannt: Bei 18 Liegenschaften der Bundeswehr ist die Kontamination bestätigt. 108 weitere Standorte gelten als Verdachtsfälle.
PFC-Stoffe bedenklich für Mensch und Umwelt
Die Chemikerin Annegret Biegel-Engler vom Umweltbundesamt warnt vor den Chemikalien. Sie verblieben für immer in der Umwelt, weil sie nicht abgebaut werden könnten. Manche können sich im Menschen anreichern. Zudem seien einige der PFC toxisch. "Das ist aus unserer Sicht eine Besorgnis, weil man diese Konzentrationen, die in der Umwelt sind, nie wieder zurückholen kann", sagt Biegel-Engler.
PFC-Chemikalien
Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) finden sich in Produkten, die wasser-, fett- oder schmutzabweisend sind. Dazu zählen Kochtöpfe oder Outdoor-Kleidung. Außerdem werden die Stoffe in Löschschäumen eingesetzt. Die Chemikalien gelangen beispielsweise über verunreinigtes Erdreich ins Grundwasser und in Lebensmittel. Einige PFC stehen im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Sie können Studien zufolge Leberkrebs fördern, die Pubertät verzögern, die Spermienqualität verschlechtern oder den Eintritt einer Schwangerschaft verzögern.
Problematik von PFC schon lange bekannt
Der erste Fall einer PFC-Verunreinigung an einem ihrer Standorte ist der Bundeswehr nach eigenen Angaben seit 2012 bekannt. Es handelt sich um den Standort Roth in Mittelfranken. Aufgrund von PFC-Befunden in einer Kläranlage wurden Messungen durchgeführt. Auf dem Kasernengelände wird im Grundwasser der in Bayern geltende PFOS-Schwellenwert in der Spitze um das Tausendfache überschritten. Roth zählt zu den 18 bestätigten PFC-Fällen.
Doch die Bundeswehr hätte schon deutlich früher von den Problemen mit PFC wissen können, belegen die Recherchen. Ein ehemaliger Oberstleutnant der Bundeswehr sagte dem BR: Schon in den 1980er-Jahren sei unter Feuerwehrleuten bekannt gewesen, dass die Löschschäume problematisch seien. Die Bundeswehr teilte auf Nachfrage mit, das sei ihr nicht bekannt. Sie bestätigt aber, dass Ende der 1980er-Jahre auf von ihr betriebenen Flugplätzen Löschübungsbecken errichtet wurden.
Zahlreiche Hinweise auf Gefährlichkeit
2002 unterzeichnete die Bundesrepublik ein internationales Übereinkommen, das PFOS als "langlebigen organischen Schadstoff" einstuft. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist bekannt, dass der Stoff im Löschschaum problematisch ist.
Der Umweltchemiker Roland Weber berät UN-Organisationen und Regierungen weltweit zum Thema PFC. Er sagt, es habe sogar noch früher deutliche Hinweise gegeben: "Die Bundeswehr hätte eigentlich schon 2000 auf dieses Problem aufmerksam werden müssen." Damals habe eine Studie in den USA aufgezeigt, dass die Feuerlöschschäume zu Umweltkontaminationen führen.
Erst seit 2015 systematische Aufarbeitung
Ab wann die Bundeswehr von den umweltproblematischen Eigenschaften der Löschschäume wusste, bleibt auch nach mehreren BR-Anfragen unklar: "Sicher ist, dass die Bundeswehr im Hinblick auf die Verwendung PFC-haltiger Löschschäume jederzeit die gesetzlichen Vorgaben beachtet hat, auch wenn ein genaues Datum nicht rekonstruierbar ist", heißt es.
Erst 2015 begann die Bundeswehr damit, systematisch nach PFC-Kontaminationen zu suchen. Das geht aus einem Leitfaden der Bundeswehr zum Umgang mit PFC hervor.
Hohe Kosten erwartet
Laut Umweltchemiker Weber sollten an den kontaminierten Standorten längst Sanierungen laufen. Für ihn sehe es so aus, als ob die Bundeswehr das verschlafe, denn zivile Flugplätze wie Nürnberg oder Düsseldorf, die ein ähnliches Problem haben, sanierten bereits. "Die Bundeswehr ist zu spät am Start", sagt Weber. Er glaubt, dass es auch um die Kosten gehe.
Derzeit seien jährlich etwa zehn Millionen Euro für Erkundung, Untersuchung und Sanierung von Altlasten auf ihren Liegenschaften eingeplant. Durch die systematische PFC-Aufarbeitung habe sich keine nennenswerte Erhöhung der Ausgaben ergeben, so die Bundeswehr. Laut Experten könnte die Sanierung der kontaminierten Standorte und der Umgebungen aber in die Milliarden gehen.
Erste Sanierung frühestens 2024?
Die Anwohner in Manching fühlen sich mit den Konsequenzen der Kontamination allein gelassen. Sie haben sich zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen, die sich für eine Sanierung am Manchinger Flugplatz einsetzt. Inzwischen weiß die Bürgerinitiative: Frühestens 2024 wird laut zuständigem Landratsamt Pfaffenhofen auf dem Flugplatz saniert. Das wäre elf Jahre nach Bekanntwerden der Kontamination. Auf BR-Anfrage will die Bundeswehr diesen Termin nicht bestätigen.
Auf eine Anfrage an das Verteidigungsministerium, welchen Stellenwert die PFC-Problematik dort habe und wie man Anwohner unterstützen wolle, antwortet die Bundeswehr: Man bearbeite PFC-Kontaminationen bereits jetzt mit höchster Priorität.
Die Bundeswehr hat durch den Einsatz von gesundheitsschädlichem Löschschaum zahlreiche Standorte verunreinigt. Laut BR ist die Kontamination mit PFC-Chemikalien an 18 Standorten bestätigt. Die Sanierung könnte teuer werden.
Von Jeanne Turczynski, Maximilian Zierer, Maren Breitling, Fabian Mader, BR
Die Gemeinde Manching in Oberbayern liegt neben dem Bundeswehr-Flugplatz Ingolstadt-Manching. Auf dem Gelände ist der Schwellenwert für einen besonders schädlichen PFC-Stoff im Grundwasser teils 400-fach überschritten. In angrenzenden Ortsteilen dürfen Anwohner ihre Gärten nicht mehr mit Brunnenwasser gießen. Wer ein Haus bauen will, kann das nur ohne Keller machen. Oder er muss die Entsorgung des Aushubs bezahlen. Und das wird teuer, denn es handelt sich um Sondermüll.
Schleichendes Gift
Die Kontaminationen im Boden stammen von PFC-haltigen Löschschäumen, die die Bundeswehrfeuerwehr jahrzehntelang am nahegelegenen Flugplatz eingesetzt hat, vor allem bei Übungen. Der bekannteste Stoff, der in den Schäumen verwendet wurde, heißt PFOS. Er ist seit 2006 in der EU verboten, PFOS-haltige Löschschäume durften noch bis 2011 verwendet werden.
Dem Bayerischen Rundfunk liegen Gutachten und Messwerte von zahlreichen Bundeswehr-Standorten in ganz Deutschland vor. Die Recherchen zeigen, dass das Problem mit PFC-Verunreinigungen deutlich größer ist, als bislang bekannt: Bei 18 Liegenschaften der Bundeswehr ist die Kontamination bestätigt. 108 weitere Standorte gelten als Verdachtsfälle.
PFC-Stoffe bedenklich für Mensch und Umwelt
Die Chemikerin Annegret Biegel-Engler vom Umweltbundesamt warnt vor den Chemikalien. Sie verblieben für immer in der Umwelt, weil sie nicht abgebaut werden könnten. Manche können sich im Menschen anreichern. Zudem seien einige der PFC toxisch. "Das ist aus unserer Sicht eine Besorgnis, weil man diese Konzentrationen, die in der Umwelt sind, nie wieder zurückholen kann", sagt Biegel-Engler.
PFC-Chemikalien
Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) finden sich in Produkten, die wasser-, fett- oder schmutzabweisend sind. Dazu zählen Kochtöpfe oder Outdoor-Kleidung. Außerdem werden die Stoffe in Löschschäumen eingesetzt. Die Chemikalien gelangen beispielsweise über verunreinigtes Erdreich ins Grundwasser und in Lebensmittel. Einige PFC stehen im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Sie können Studien zufolge Leberkrebs fördern, die Pubertät verzögern, die Spermienqualität verschlechtern oder den Eintritt einer Schwangerschaft verzögern.
Problematik von PFC schon lange bekannt
Der erste Fall einer PFC-Verunreinigung an einem ihrer Standorte ist der Bundeswehr nach eigenen Angaben seit 2012 bekannt. Es handelt sich um den Standort Roth in Mittelfranken. Aufgrund von PFC-Befunden in einer Kläranlage wurden Messungen durchgeführt. Auf dem Kasernengelände wird im Grundwasser der in Bayern geltende PFOS-Schwellenwert in der Spitze um das Tausendfache überschritten. Roth zählt zu den 18 bestätigten PFC-Fällen.
Doch die Bundeswehr hätte schon deutlich früher von den Problemen mit PFC wissen können, belegen die Recherchen. Ein ehemaliger Oberstleutnant der Bundeswehr sagte dem BR: Schon in den 1980er-Jahren sei unter Feuerwehrleuten bekannt gewesen, dass die Löschschäume problematisch seien. Die Bundeswehr teilte auf Nachfrage mit, das sei ihr nicht bekannt. Sie bestätigt aber, dass Ende der 1980er-Jahre auf von ihr betriebenen Flugplätzen Löschübungsbecken errichtet wurden.
Zahlreiche Hinweise auf Gefährlichkeit
2002 unterzeichnete die Bundesrepublik ein internationales Übereinkommen, das PFOS als "langlebigen organischen Schadstoff" einstuft. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist bekannt, dass der Stoff im Löschschaum problematisch ist.
Der Umweltchemiker Roland Weber berät UN-Organisationen und Regierungen weltweit zum Thema PFC. Er sagt, es habe sogar noch früher deutliche Hinweise gegeben: "Die Bundeswehr hätte eigentlich schon 2000 auf dieses Problem aufmerksam werden müssen." Damals habe eine Studie in den USA aufgezeigt, dass die Feuerlöschschäume zu Umweltkontaminationen führen.
Erst seit 2015 systematische Aufarbeitung
Ab wann die Bundeswehr von den umweltproblematischen Eigenschaften der Löschschäume wusste, bleibt auch nach mehreren BR-Anfragen unklar: "Sicher ist, dass die Bundeswehr im Hinblick auf die Verwendung PFC-haltiger Löschschäume jederzeit die gesetzlichen Vorgaben beachtet hat, auch wenn ein genaues Datum nicht rekonstruierbar ist", heißt es.
Erst 2015 begann die Bundeswehr damit, systematisch nach PFC-Kontaminationen zu suchen. Das geht aus einem Leitfaden der Bundeswehr zum Umgang mit PFC hervor.
Hohe Kosten erwartet
Laut Umweltchemiker Weber sollten an den kontaminierten Standorten längst Sanierungen laufen. Für ihn sehe es so aus, als ob die Bundeswehr das verschlafe, denn zivile Flugplätze wie Nürnberg oder Düsseldorf, die ein ähnliches Problem haben, sanierten bereits. "Die Bundeswehr ist zu spät am Start", sagt Weber. Er glaubt, dass es auch um die Kosten gehe.
Derzeit seien jährlich etwa zehn Millionen Euro für Erkundung, Untersuchung und Sanierung von Altlasten auf ihren Liegenschaften eingeplant. Durch die systematische PFC-Aufarbeitung habe sich keine nennenswerte Erhöhung der Ausgaben ergeben, so die Bundeswehr. Laut Experten könnte die Sanierung der kontaminierten Standorte und der Umgebungen aber in die Milliarden gehen.
Erste Sanierung frühestens 2024?
Die Anwohner in Manching fühlen sich mit den Konsequenzen der Kontamination allein gelassen. Sie haben sich zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen, die sich für eine Sanierung am Manchinger Flugplatz einsetzt. Inzwischen weiß die Bürgerinitiative: Frühestens 2024 wird laut zuständigem Landratsamt Pfaffenhofen auf dem Flugplatz saniert. Das wäre elf Jahre nach Bekanntwerden der Kontamination. Auf BR-Anfrage will die Bundeswehr diesen Termin nicht bestätigen.
Auf eine Anfrage an das Verteidigungsministerium, welchen Stellenwert die PFC-Problematik dort habe und wie man Anwohner unterstützen wolle, antwortet die Bundeswehr: Man bearbeite PFC-Kontaminationen bereits jetzt mit höchster Priorität.
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