Apple, Netflix, SRG: Alle wollen uns um unsere Zeit bringen
Mit dem Streamingdienst von Apple wird das Serienangebot noch grösser. Wer soll sich das alles anschauen?
Bestätigt ist es noch nicht, aber ab Herbst wird Apples neuer Streamingservice TV+ vermutlich auch in der Schweiz erhältlich sein. Für den Start sind mehr als 20 Serien angekündigt. Steven Spielberg dreht eine Neuauflage seiner 80er-Anthologie «Amazing Stories», die sich zwischen Fantasy und Science-Fiction bewegen wird, ähnlich wie «For All Mankind», eine spekulative Serie über den Wettlauf ins All, und der Prestige-Titel «See», wo die Überlebenden einer Apokalypse erblindet sind.
TV+ soll «Eigenproduktion von höchster Qualität» anbieten, was Amazon und Netflix natürlich ebenfalls über ihre Inhalte sagen. Laut Schätzungen investiert Apple rund eine Milliarde Dollar in die Serien; Amazon und Netflix geben 2019 mehr als zehnmal so viel Geld aus. Anders als die zwei Streaming-Giganten wird Apple zumindest vorerst auch keine Bibliothek aufschalten. Im Vergleich mit den Grossen wirkt Apples TV+ wie die kleine Serien-Boutique – allerdings sind derzeit weltweit 1,4 Milliarden Apple-Geräte in Verwendung, weshalb das Unternehmen eine Mitteilung über eine neue Serie auf sehr viele Oberflächen pushen kann.
2019 geht der Kampf der Streamingplattformen richtig los. Im April soll Disney über seinen eigenen Service Disney+ informieren. Letzte Woche hat der Konzern die Übernahme von weiten Teilen des Studios 20th Century Fox abgeschlossen, zusätzlich zu den Rechten an «Star Wars», der Comicwelt von Marvel und den Pixar-Filmen hält Disney nun auch die Lizenzen an «Avatar» oder den «Simpsons».
Auch der Konzern Warner Media, zu dem das Studio Warner Brothers und der Sender CNN gehören, wird dieses Jahr einen Streamingservice starten. Ab 2020 wird er dort zusätzlich Eigenproduktionen anbieten und dabei nach eigener Aussage mit den Investitionen von Netflix mithalten können. Zu Warner Media gehören Marken wie DC oder «Looney Tunes», vor allem aber die HBO-Erfolgsserien wie «Game of Thrones».
«Fernsehen ist heute völlig anders als vor zehn Jahren. Wenn die zweite Staffel einer Show herauskommt, die man mag, sind in der Zwischenzeit 600 neue Serien gestartet.»Netflix-Inhaltschef Ted Sarandos
Der Bezahlsender HBO begründete vor 20 Jahren mit «The Sopranos» die Ära der Qualitätsserie und wurde bekannt als jener Kanal, der am Sonntagabend zwei Stunden exquisiten Erzählstoff lieferte. Die Manager von AT&T, der Mutterfirma von Warner Media, fordern von HBO angesichts der Konkurrenzlage nun aber auch einen sehr viel höheren Output. «Es geht nicht mehr darum, pro Woche oder pro Monat ein paar Stunden Inhalte zu produzieren», sagte AT&T-Manager John Stankey gemäss der «New York Times».
«Wir brauchen Stunden pro Tag.»
SRG startet 2020
Ab Mitte 2020 startet auch die SRG ihre digitale Plattform für alle Landesteile – allerdings vorerst ohne exklusive Inhalte, wie Direktionsmitglied Bakel Walden sagt. «Von den 150 Koproduktionen, die wir pro Jahr machen, möchten wir so viele wie möglich auf der Plattform zeigen.» Die SRG hat zuletzt etwa «Zwingli» mitfinanziert. Die Produktion von Fernsehserien wolle man in den nächsten drei, vier Jahren auf «sieben bis acht pro Jahr» verdoppeln, sagt Walden. Die Plattform werde kostenfrei sein und einen Schweizer Fokus haben, geordnet nach Bereichen wie Filmgenres oder den Themen der Dokumentarfilme. Die Personalisierung erfolge über ein Login, die Nutzerdaten würden aber natürlich nicht kommerziell genutzt. Besonderes Potential für eine Streaming-Plattform berge auch das Archiv der SRG-Sendungen.
Schon jetzt laufen so viele TV-Serien, dass man sich fragt, wer so wenig Schlaf benötigt, dass er sich das alles anschauen kann. An einer Netflix-Presseveranstaltung letzte Woche in Los Angeles sagte Inhalts-Chef Ted Sarandos: «Heute sieht die Fernsehkultur völlig anders aus als noch vor zehn Jahren. Wenn jetzt die zweite Staffel einer Show herauskommt, die man wirklich mag, sind in der Zwischenzeit schon wieder 600 neue Serien gestartet, und zusätzlich dazu sind ja alle jemals hergestellten Fernsehserien weiterhin verfügbar.»
So verschärfe sich nicht nur der Kampf um die Zeit des Zuschauers, sondern es werde auch zusehends schwieriger, die Leute von neuem mit etwas zu packen, das sie eigentlich schon kennen und immer gemocht haben.
2018 fast 500 Serien
Für den Nutzer wird die Streaming-Zukunft sehr unübersichtlich: Die Aufteilung des Markts bedeutet, dass nicht mehr nur ein Abonnement Zugang zu relativ vielen Inhalten ermöglicht, sondern dass die Studios, die lange Zeit Geld damit verdient haben, ihre Filme und Serien zu lizenzieren, diese nun nach und nach zu sich zurückholen, um sie auf ihren eigenen Plattformen anzubieten.
Bereits 2018 liefen in den USA fast 500 narrative Fernsehserien. Im Schnitt haben amerikanische Nutzer drei Streamingservices abonniert, aber angesichts der vielen Flatrate-Angebote erkranken die Zuschauer dort bereits an einem spätmodernen Symptom namens «Abonnementserschöpfung».
Parzelliert wird die Unterhaltung auch hinsichtlich der Frage, wie viel Gewalt und Sex zu sehen sind. Disney+ wird mit Pixar-Trickfilmen oder Figuren wie Winnie Puuh Spass für die ganze Familie bieten, während nicht ganz so freundliche Typen wie Stewie von «Family Guy» laut Disney-Chef Bob Iger auf den ebenfalls neu zu Disney gehörenden Streamingdienst Hulu verschoben werden.
Gemäss dem «Wall Street Journal» haben Apple-Manager auch bereits mit Sorge auf den neuen Thriller von M. Night Shyamalan reagiert, den dieser für den Streamingservice des Unternehmens dreht. Es gibt dort nämlich potentiell anstössige Szenen, in denen Kruzifixe vorkommen.
Ob die Streaming-Zukunft also so verheissungsvoll wird, wie es angesichts der Masse jetzt aussieht, ist eine offene Frage. Fürs Erste ist der Wettbewerb besonders für die Raubkopierer angenehm – und für die Autoren, die sich ihren Arbeitgeber nun mehr oder weniger aussuchen können.
Apple kündigte für TV+ Inhalte von den «grössten Kreativen aus Film und Fernsehen» an und zeigte zur Illustration eine schwarzweisse Montage, in der Steven Spielberg oder Sofia Coppola ihre Faszination fürs Geschichtenerzählen erläutern. Der Clip hätte genauso gut von jedem anderen Streamingportal stammen können. (Redaktion Tamedia)
Mit dem Streamingdienst von Apple wird das Serienangebot noch grösser. Wer soll sich das alles anschauen?
Bestätigt ist es noch nicht, aber ab Herbst wird Apples neuer Streamingservice TV+ vermutlich auch in der Schweiz erhältlich sein. Für den Start sind mehr als 20 Serien angekündigt. Steven Spielberg dreht eine Neuauflage seiner 80er-Anthologie «Amazing Stories», die sich zwischen Fantasy und Science-Fiction bewegen wird, ähnlich wie «For All Mankind», eine spekulative Serie über den Wettlauf ins All, und der Prestige-Titel «See», wo die Überlebenden einer Apokalypse erblindet sind.
TV+ soll «Eigenproduktion von höchster Qualität» anbieten, was Amazon und Netflix natürlich ebenfalls über ihre Inhalte sagen. Laut Schätzungen investiert Apple rund eine Milliarde Dollar in die Serien; Amazon und Netflix geben 2019 mehr als zehnmal so viel Geld aus. Anders als die zwei Streaming-Giganten wird Apple zumindest vorerst auch keine Bibliothek aufschalten. Im Vergleich mit den Grossen wirkt Apples TV+ wie die kleine Serien-Boutique – allerdings sind derzeit weltweit 1,4 Milliarden Apple-Geräte in Verwendung, weshalb das Unternehmen eine Mitteilung über eine neue Serie auf sehr viele Oberflächen pushen kann.
2019 geht der Kampf der Streamingplattformen richtig los. Im April soll Disney über seinen eigenen Service Disney+ informieren. Letzte Woche hat der Konzern die Übernahme von weiten Teilen des Studios 20th Century Fox abgeschlossen, zusätzlich zu den Rechten an «Star Wars», der Comicwelt von Marvel und den Pixar-Filmen hält Disney nun auch die Lizenzen an «Avatar» oder den «Simpsons».
Auch der Konzern Warner Media, zu dem das Studio Warner Brothers und der Sender CNN gehören, wird dieses Jahr einen Streamingservice starten. Ab 2020 wird er dort zusätzlich Eigenproduktionen anbieten und dabei nach eigener Aussage mit den Investitionen von Netflix mithalten können. Zu Warner Media gehören Marken wie DC oder «Looney Tunes», vor allem aber die HBO-Erfolgsserien wie «Game of Thrones».
«Fernsehen ist heute völlig anders als vor zehn Jahren. Wenn die zweite Staffel einer Show herauskommt, die man mag, sind in der Zwischenzeit 600 neue Serien gestartet.»Netflix-Inhaltschef Ted Sarandos
Der Bezahlsender HBO begründete vor 20 Jahren mit «The Sopranos» die Ära der Qualitätsserie und wurde bekannt als jener Kanal, der am Sonntagabend zwei Stunden exquisiten Erzählstoff lieferte. Die Manager von AT&T, der Mutterfirma von Warner Media, fordern von HBO angesichts der Konkurrenzlage nun aber auch einen sehr viel höheren Output. «Es geht nicht mehr darum, pro Woche oder pro Monat ein paar Stunden Inhalte zu produzieren», sagte AT&T-Manager John Stankey gemäss der «New York Times».
«Wir brauchen Stunden pro Tag.»
SRG startet 2020
Ab Mitte 2020 startet auch die SRG ihre digitale Plattform für alle Landesteile – allerdings vorerst ohne exklusive Inhalte, wie Direktionsmitglied Bakel Walden sagt. «Von den 150 Koproduktionen, die wir pro Jahr machen, möchten wir so viele wie möglich auf der Plattform zeigen.» Die SRG hat zuletzt etwa «Zwingli» mitfinanziert. Die Produktion von Fernsehserien wolle man in den nächsten drei, vier Jahren auf «sieben bis acht pro Jahr» verdoppeln, sagt Walden. Die Plattform werde kostenfrei sein und einen Schweizer Fokus haben, geordnet nach Bereichen wie Filmgenres oder den Themen der Dokumentarfilme. Die Personalisierung erfolge über ein Login, die Nutzerdaten würden aber natürlich nicht kommerziell genutzt. Besonderes Potential für eine Streaming-Plattform berge auch das Archiv der SRG-Sendungen.
Schon jetzt laufen so viele TV-Serien, dass man sich fragt, wer so wenig Schlaf benötigt, dass er sich das alles anschauen kann. An einer Netflix-Presseveranstaltung letzte Woche in Los Angeles sagte Inhalts-Chef Ted Sarandos: «Heute sieht die Fernsehkultur völlig anders aus als noch vor zehn Jahren. Wenn jetzt die zweite Staffel einer Show herauskommt, die man wirklich mag, sind in der Zwischenzeit schon wieder 600 neue Serien gestartet, und zusätzlich dazu sind ja alle jemals hergestellten Fernsehserien weiterhin verfügbar.»
So verschärfe sich nicht nur der Kampf um die Zeit des Zuschauers, sondern es werde auch zusehends schwieriger, die Leute von neuem mit etwas zu packen, das sie eigentlich schon kennen und immer gemocht haben.
2018 fast 500 Serien
Für den Nutzer wird die Streaming-Zukunft sehr unübersichtlich: Die Aufteilung des Markts bedeutet, dass nicht mehr nur ein Abonnement Zugang zu relativ vielen Inhalten ermöglicht, sondern dass die Studios, die lange Zeit Geld damit verdient haben, ihre Filme und Serien zu lizenzieren, diese nun nach und nach zu sich zurückholen, um sie auf ihren eigenen Plattformen anzubieten.
Bereits 2018 liefen in den USA fast 500 narrative Fernsehserien. Im Schnitt haben amerikanische Nutzer drei Streamingservices abonniert, aber angesichts der vielen Flatrate-Angebote erkranken die Zuschauer dort bereits an einem spätmodernen Symptom namens «Abonnementserschöpfung».
Parzelliert wird die Unterhaltung auch hinsichtlich der Frage, wie viel Gewalt und Sex zu sehen sind. Disney+ wird mit Pixar-Trickfilmen oder Figuren wie Winnie Puuh Spass für die ganze Familie bieten, während nicht ganz so freundliche Typen wie Stewie von «Family Guy» laut Disney-Chef Bob Iger auf den ebenfalls neu zu Disney gehörenden Streamingdienst Hulu verschoben werden.
Gemäss dem «Wall Street Journal» haben Apple-Manager auch bereits mit Sorge auf den neuen Thriller von M. Night Shyamalan reagiert, den dieser für den Streamingservice des Unternehmens dreht. Es gibt dort nämlich potentiell anstössige Szenen, in denen Kruzifixe vorkommen.
Ob die Streaming-Zukunft also so verheissungsvoll wird, wie es angesichts der Masse jetzt aussieht, ist eine offene Frage. Fürs Erste ist der Wettbewerb besonders für die Raubkopierer angenehm – und für die Autoren, die sich ihren Arbeitgeber nun mehr oder weniger aussuchen können.
Apple kündigte für TV+ Inhalte von den «grössten Kreativen aus Film und Fernsehen» an und zeigte zur Illustration eine schwarzweisse Montage, in der Steven Spielberg oder Sofia Coppola ihre Faszination fürs Geschichtenerzählen erläutern. Der Clip hätte genauso gut von jedem anderen Streamingportal stammen können. (Redaktion Tamedia)